Ran ans Motiv – vor allem bei Menschen!

Fotos wie die Profis schießen – wer möchte das nicht? Doch was zeichnet Berufsfotografen gegenüber ambitionierten Amateuren aus? Die Fotoausrüstung allein ist es nicht. Denn den Könnern gelingen auch ohne technische Mätzchen gute Aufnahmen, die sich vom Großteil der Massenknipserei auffallend unterscheiden. Hierbei geht es weniger um das Alpenpanorama und die schmucke Fachwerkkulisse. Vielmehr offenbart sich beim Motiv „Mensch" der große Unterschied zwischen Routiniers und Anfängern:

Profis gehen auf Menschen zu, sprechen sie an, gewinnen sie für ihre Bildidee. Amateuren fehlt in der Regel diese Direktheit. Sie trauen sich nicht so recht, sie benötigen buchstäblich Distanz, um nicht aufdringlich zu wirken, haben Scheu vor Blicken. Was dann dabei herauskommt, ist nicht verwunderlich:

  1. Beim farbenprächtigen Gemeindefest sitzen zwar viele Leute in geselliger Runde – aber leider nur von hinten fotografiert, Rücken neben Rücken.
  2. Die Konfirmandengruppe im Vorstellungsgottesdienst ist zwar vollständig abgelichtet – aber die Gesichter sind aus weiter Entfernung kaum zu erkennen.
  3. Das Foto des neu eingeführten Pfarrers ist zwar korrekt belichtet – aber vor der tristen Backsteinfassade des Pfarrhauses wirkt die regungslos dastehende Person langweilig.

Die drei Beispielen zeigen: Der Fotograf hat versucht, sich so schnell wie möglich aus der Affäre zu ziehen. Diese Zurückhaltung am Auslöser wird gerne mit diskretem Auftreten verwechselt. Vielen fehlt der Mut, dicht ans Motiv heranzugehen. Aber Nähe ist notwendig, um die eigenen fotografischen Ziele zu erreichen:

  1.  „Outen" Sie sich beim Gemeindefest als Fotograf. Sagen Sie an der Kuchentheke, am Basartisch und in der Schminkecke kurz und bündig, dass Sie „tolle" Fotos für den Gemeindebrief machen möchten. Vielleicht ernten Sie zunächst spontanes Kichern der Besucher – warten Sie ab, alsbald lässt diese Gefühlsregung nach und die Normalität kehrt wieder ein. Der Fotograf kann sodann agieren wie er möchte, er wird nicht mehr argwöhnisch beobachtet.
  2. „Schnappen" Sie sich die Konfis vor der langweiligen, statischen Gruppenaufnahme und laden sie zum dynamischen Fotoshooting ein: Wechseln Sie Ihre Position, steigen Sie ruhig mal auf die Leiter und fotografieren die Gruppe von oben im Halbkreis, mal die Köpfe zusammengesteckt, mal sich umarmend. Nach wenigen Augenblicken herrscht gelöste Stimmung. Sie zaubert ein Lächeln in die Gesichter, die auf Standardbildern meist eingefroren wirken.
  3. „Verwickeln" Sie den neuen Pfarrer beim Fokussieren mit der Kamera ins Gespräch. Lassen Sie ihn eine Anekdote erzählen, während er entspannt im Sessel seines Büros oder auf der Bank im Pfarrgarten sitzt. Warten Sie aufs erste Freudestrahlen, dann ist der Bann gebrochen und Sie haben freie fotgrafische Bahn. Denn nichts ist schlimmer, als grimmige Blicke und zusammengekniffene Lippen einzufangen.

Die ersten Aufnahmen zeigen zumeist den ernsten Menschen. Im Laufe der „Sitzung" verwandelt sich das Motiv in ein Lebewesen mit Mimik und Gestik. Und Sie selbst haben nichts weiter als ein „Schwätzchen" dazu beigetragen.

Stefan Lotz

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